Politikverdrossene Nichtwähler?

Nichtwähler

Der Begriff der Politikverdrossenheit ist in den Medien omnipräsent. Doch auch in der politischen Alltagsdebatte ist der Begriff, der erst seit den 1990er Jahren vermehrt Eingang in die deutschsprachige Literatur gefunden hat, allgegenwärtig. 1 Dabei ist fraglich, inwiefern der Terminus, der gerne sehr offen als „negative Einstellung der Bürger in Bezug auf politische Aktivitäten und Strukturen“ 2 definiert wird, einer bestimmten Bedeutung zugeordnet werden kann. Wen aber adressiert dies wirklich, wer genau ist denn nun Politikverdrossen?

Auf diese Frage wird in einer Vielzahl sozialwissenschaftlicher Studien eine simple Antwort gefunden: Wer nicht zur Wahl geht, ist verdrossen. Dabei gilt es hier genau zu unterscheiden. Nicht jeder, der keine Stimme abgibt ist auch tatsächlich unpolitisch.

Nach einer Studie der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen kann die Gruppe der Nichtwähler in drei Typen unterschieden werden. Etwa ein Viertel der Nichtwähler gehen demnach aus technisch-organisatorischen Gründen nicht zur Wahl während etwa ein Drittel aus Protest der Wahl fern bleiben. Der Größte Teil der Nichtwähler fühlt sich jedoch nur gering involviert. Die Gründe hierfür liegen dabei vor allem in dem Wunsch begründet, alles könne so bleiben wie es ist – also dem Gefühl der Zufriedenheit – oder dem Eindruck, die eigene Stimme habe sowieso keinen Einfluss. 3

Folglich lässt sich der Status Nichtwähler nicht eindeutig dem Befund: Politikverdrossen zuzuordnen. Gleichwohl der Tatsache, dass es politisierte als auch nicht politisierte Nichtwähler gibt, besteht ein besonderer Bedarf an politischer Bildungsarbeit, da der politisierte Nichtwähler nicht zwangsläufig um die Folgen seines Unterlassens zu wissen scheint.

Fraglich ist, inwiefern das Fernbleiben der Wahl bewertet werden soll. Eine normative Abwertung ist unangebracht. In einer Demokratie besteht gerade die Wahl auch nicht zur Wahl zu gehen. In der Tradition der liberalen Demokratie wird die inaktive Öffentlichkeit als Korrektiv zur politisch aktiven Bevölkerungsgruppe gesehen. Demnach sei mit der Demokratie gerade dann alles in Ordnung, wenn ein gewisser Anteil der Wahlberechtigten keine Notwendigkeit der Wahl sieht. Diese Theorie der inaktiven Öffentlichkeit, die erst bei Notwendigkeit Widerstand übt und aktiv wird, funktioniert jedoch ausschließlich, wenn sie sich dieser Rolle bewusst sind und über die politische Bildung verfügen, um sie wahr zu nehmen. 4

In der Seminarsitzung am 21.10.2013 wurde eine Vielzahl von Einflussfaktoren für politische Verdrossenheit genannt:

Offener Katalog von Gründen für Politikverdrossenheit
Offener Katalog von Gründen für Politikverdrossenheit

Politikverdrossenheit ist ein sehr heterogener Begriff und wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Auch der oft verwendete Indikator der Wahlbeteiligung ist nicht so eindeutig, wie es zunächst scheint. Zumindest hinsichtlich jener unpolitisierten, in Apathie verfallenen, die gravierende Auswirkungen auf die Demokratie haben können, lässt sich jedoch mit politischer Bildung viel bewirken.

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1 Vgl. Google NGram Tool: „Politikverdrossenheit“ (URL: Google NGram Link, abgerufen 22.10.13)
2 Klaus, Christoph: „Politikverdrossenheit“, (URL: BPB Link, abgerufen 22.10.13)
3 Vgl. Ebd.
4 Vgl. Dahrendorf, Ralf: „Liberale Demokratie“, in: Massing, Peter (Hrsg.): „Demokratietheorien. Von der Antike bis zur Gegenwart. Texte und Interpretationen“, Schwalbach 2002, S.225.

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